Dienstag, 20. August 2013

Renaissance der Romantik

Lassen Sie sich den Titel auf der Zunge zergehen:
Renaissance der Romantik.

Aber so ist es doch, oder? Sie kommt wieder, die Romantik.
Kleine Lämmchen erobern Zeitschriftentitel. Lauschige Gartenplätzchen, Laura Ashley Üppigkeit und hausgemachte Marmeladen sind das Nonplusultra. Landleben, Landlust und Nostalgie. Jedem seinen Hirsch als Deko! Wohin das Auge blickt: wir sind mitten drin in der neo- Romantik! Fehlt nur noch, dass Goethes Werther wieder auf Nr.1 der Bestsellerliste steht.

Aber das Früher von früher gibt es nicht mehr. Schluss, aus, Äpfel. Wie war das? Diametral zum Wunschdenken der Bundesbürger hält die Landflucht an, sagen neuste Statistiken. Vororte leeren sich, Landkindergärten schließen, alle wollen eine Stadtwohnung... aber schwelgen in Träumereien vom romantischen Landleben. Die verklärte Sehnsucht nach etwas, was eigentlich vorbei ist. Wie soll das gehen? Stadtwohnung mit Zicklein auf dem Balkon? Bienenhonig auf der Hochhausterrasse schleudern. Schinken räuchern, vielleicht im innenliegenden Badezimmer ohne Fenster?
Hallo! Aufwachen! Wir sind in allererster Linie Städter.  Wir wissen doch kaum noch wo das Fleisch herkommt, wie frische Milch schmeckt. Aber wir stürzen uns auf Zeitschriften mit Rezepten zum Butterselbermachen. Aus homogenisierter, sterilisierter, pasteurisierter und carotinierter Milch? Der irrsinnige Versuch muss kläglich scheitern, auf jeden Fall was das Geschmackserlebnis angeht. Es sei denn, man ruiniert die Ökobilanz mit einer vierzigminütigen Fahrt zum Ökobauern.

Aber es gibt sie, die kleinen Möglichkeiten, eine Prise "gute, alte Zeit" at home zu leben und in den städtischen Alltag zu integrieren. Dazu gehört z.B. eine schmackhafte Küche mit frische Zutaten, kurzum der Kauf von guten Lebensmitteln. (heisst ja bewusst Lebens-Mittel, oder?)
Wer in Würzburg zu Hause ist, sollte sich deshalb unbedingt mal bei Mustafa umschauen. Mustafa ist eigentlich Ingenieur und hat nicht ganz freiwillig vor vielen Jahren sein Heimatland Jordanien verlassen. Er hat sich komplett umorientiert, ja so ist das Leben, und sich seit vielen Jahren auf Obst- und Gemüsehandel spezialisiert. Als Reminiszenz an sein Herkunftsland macht seine Frau immer mal wieder köstliches Bulgur oder Homos. Das steht appetitlich portioniert in einer Kühltheke und wartet darauf, dass Sie das mal probieren!
Dieser kleine, feine Laden im Frauenland bietet eine wunderbare Auswahl an frischem Obst und Gemüse. Liebevoll dekoriert, mit viel Engagement präsentiert. Mustafa hat auch großartige Olivenöle, Antipasti, Nudelsorten aus Italien und lecker scharfe Oliven. Eigentlich entwickelt er sich mehr und mehr zum Feinkostlädchen. Jedesmal, wenn ich komme, entdecke ich neue Schätzchen. Das letzte mal traumhafte Gewürzmischungen. Und so was suche wir doch alle immer, oder? Das besondere, das handdekorierte, das andere. Ade Supermarkt! Wo der unpersönliche Einkauf Stunden dauert. Weg von den unter Frischhaltefolie erstickenden gelblichen Broccolis. Wer liebt es nicht, so ein schickes, sauberes  Lädchen, mit persönlicher Bedienung.  Wenn Zeit ist, dann gibt es auch mal einen kleinen, starken Kaffe und ein munteres Gebabbel über Gott und die Welt. Halt wie früher.
Zwischen großen Körben voller Obst und Gemüse und Kisten mit Kartoffeln, an denen noch die Erdklumpen kleben.
Und aus diesem Nachtschattengewächs (und damit verwandt mit der Tomate, man staune) können so wunderbar schlichte Sachen wie Pellkartoffeln mit Quark, Kartoffelstampf,  Kartoffelauflauf mit frischem Salat oder Kartoffelpuffer entstehen. Wer will da noch Tüten-Pommes?
Am liebevoll gedeckten, vielleicht sogar kerzenerleuchteten Tisch ist man dann ganz schnell auch in der Stadtwohnung mitten in der Neo-Romantik angekommen.

Es lebe das romantische Landleben at home! ;-)



Mustafa, Würzburg, Wittelsbacherstraße 8

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