Sonntag, 4. August 2013

Hänschen im Blaubeerwald

Unsere Tochter zieht wieder um. Gefühlte 10 mal haben wir Oldies schon zugepackt, mitangepackt, verstaut und aussortiert. Diesmal springen wir auch wieder gerne ein als Hilfskräfte. Das hat nicht nur altruistische Gründe. Umzugshilfe bei der eigenen Brut lohnt sich und ich kann es nur empfehlen, da man mit dieser Hilfsaktion den eigenen, persönlichen Hausstand wieder vervollständigen kann. Wie das funktioniert? Umzugskiste auf, durchschauen und dann triumphierend  längst verschollen geglaubte Dinge hochhalten und wieder in Besitz nehmen. Diesmal waren es grüne Wollsocken Größe 50 - eindeutig aus dem Schrank des Hausherrn gemopst, ein Fliesspullover des Bruders, ein mütterliches Sport TShirt und andere, lang vermisste Kleinigkeiten, wie DVDs, Kochbücher oder Utensilien aus der Werkzeugkiste, die "frau" ja nur kurz ausgeliehen, aber nie zurückgebracht hatte.
Bei mir und meinem ersten Auszug von zu Hause stand mein Vater auch neben den Kisten und kontrollierte mit Argusaugen. Ich war nämlich eine "Bücherräuberin" und habe mir immer wieder gerne aus seiner umfassenden Sammlung Gedrucktes "ausgeliehen" und meinem eigenen Büchregal einverleibt.
So ein wichtiges literarisches Werk ist jetzt auch bei Umzug unserer Tochter aufgetaucht. Kennen Sie noch das Buch von Hänschen im Blaubeerwald? In diesem Buch aus meinen Kindertagen will das Hänschen zum Namenstag seiner Mutter im Wald Blaubeeren sammeln, findet aber keine und verirrt sich. Da taucht der kleine Blaubeerenkönig auf und nimmt den Jungen mit sich in das Blaubeerland. Damit das funktioniert, wird Hänschen geschrumpft! Ja, diese Idee gab es schon vor dem Disney Film Jumanji! Hänschen trifft sieben Blaubeerenbuben, es wird auf Mäusen geritten und alle besuchen die Preisselbeerenmutter mit ihren pausbäckigen Töchtern. Ende gut alles Gut: Hänschen erwacht wie aus einem Traum in Orignalgrösse mitten im Wald mit zwei Körben voller Blaubeeren.
Wenig Text, viel Bild.  Die Bilder faszinierten mich, die großen Körbe mit den Preiselbeeren und den Heidelbeeren kann ich vor meinem inneren Auge sehen, auch ohne das Buch in der Hand zu haben.
Deshalb erliege ich wohl immer im August diesen Körbchen mit Heidelbeeren. Weil sie mich an das Bilderbuch erinnern. Und die Beeren erinnern mich an meinen geliebten Vater , der diese Früchte so gerne gegessen hat, immer aus einer flachen, blauglasierten Keramikschüssel mit eiskalter, frischer Milch und ein winzigwenig Zucker.
Nun habe ich Nimmersatt heute tatsächlich sogar drei Körbchen mit Blaubeeren erstanden! Wie der Vater, so die Tochter: ich nasche Blaubeeren mit kalter Milch. Dabei habe ich glücklich das Bilderbuch aufgeschlagen und freue mich diebisch, dass ich die Umzugskisten kontrolliert habe.

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