Donnerstag, 5. September 2013

Die französische Cousine oder eine Geschichte des Lächelns

Naja, eigentlich ist sie nicht aus Frankreich, die Cousine. Sie hat ziemlich deutsche Wurzeln. Aber weil sie jetzt schon so lange französische Luft atmet, heißt sie bei uns die "französische Cousine". Was sie so treibt, fragen Sie? Nun ja, das ist nachzulesen in dem wunderbaren Blog "au fil des mots". Dort schreibt sie über ihr Leben als "Neigeschmeckte", soll heißen als Deutsche unter Franzosen. Und da gibt es einiges zu berichten, was uns hier jenseits des Rheins doch ein amüsiertes Lächeln ins Gesicht zaubert.
Auch ich trage zur Zeit so ein Frankreich inspiriertes Lächeln im Gesicht, was ich mir höchst persönlich und höchst unerwartet wie einen Schnupfen, gestern in einem Pariser Postamt geholt habe.
Da stand ich Schlange für eine kleine, notwendige Briefmarke, denn ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, altmodisch eine Postkarte zu verschicken. Email und SMS kann ja jeder! Aber wer beherrscht schon bei all dem Computergedöns noch das Thema " leserliche Handschrift"? Wie gesagt, ich stand also mitten im 8.Arrondisment unter lauter Franzosen in der Schlange und registrierte flüchtig rechts von mir einen Automaten mit der fetten Aufschrift "gagner du temps", was so viel wie "Zeit sparen" heisst. Sehr verlockend, dachte ich. Also scherte ich erfreut aus der Schlange aus. Mein erster Blick ergab, dass man mit dem Ungetüm vollautomatisch frankieren konnte, was mich magisch anzog, denn ich liebe Technik. Ein zweiter Blick pendelte zwischen verschiedenen Pictogrammen hin und her und ich kam enttäuscht zu dem Schluss, dass der Automat keine einzelnen Briefmarken ausspucken würde, sondern nur Briefmarkenheftchen. So viel schreiben wollte ich dann doch nicht, also nichts mit Zeit sparen: ich stellte mich erneut in der Schlange an, natürlich wieder ganz hinten. Als ich endlich an die Reihe kam, entnahm ich dem Wortschwall der ruppigen Pariser Postbeamtin, dass ich die Maschine völlig missverstanden hatte. Briefmarken am Schalter? Nee, NUR NOCH am Automaten, gleich welche Menge, also auch einzelne Marken. Irgendwie hörte ich Schadenfreude. Erneut schwenkte ich in Richtung  Zeispar-Automat. Hatte ich schon gesagt, dass ich dabei ein Ungetüm von Koffer, eine Handtasche und zwei wohlgefüllte Taschen mit Croissants, Baguette, Ziegenkäse und diversen Pasteten im Schlepptau hatte? Nun ja, jetzt wissen Sie' s und haben sicher ein Bild vor Augen... (Nicht so laut lachen!)
Mir strahlte wieder diese Aufforderung "Hier Zeit sparen" entgegen. Was sich einfach nicht zu realisieren schien, denn zwischenzeitlich hatte sich auch am Frankierautomat eine Schlange gebildet. Und als ich endlich, endlich dran kam, umgab mich bereits ein kräftiges Ziegenkäseduftwölkchen, das aus einer meiner Tüten stieg, ich hatte leichte Schweißperlen auf der Oberlippe und die Handtasche war gefühlte 10 Mal von der Schulter gerutscht. Überglücklich warf ich meine kleine Postkarte auf die oben auf der Maschine befindliche Waage, die meinem Schriftstück ein beindruckendes Gewicht von 3,5 g bescheinigte. Die nächsten Minuten arbeitete ich mich mühsam durch das Programm, drückte hier und drückte da und hielt irgendwann triumphierend einen fast postkartenlangen Streifen in der Hand. Das sollte eine Briefmarke sein? All der Aufwand für dieses hässliche Teil? Ich sehnte mich nach einem deutschen Postamt und ich schwelgte in Erinnerungen an diesen Klebergeschmack auf der Zunge, bis die Briefmarke endlich korrekt oben rechts in der Ecke der Karte klebt. Ich stellte frustriert fest, dass dieser selbstklebende, französische Lappen wahrscheinlich auch noch einen Teil meiner handschriftlichen Elegien überdecken würde. Mit so einem Monster von "Briefmarke" hatte ich nicht gerechnet. Schreibt die französische Cousine deshalb wohl lieber Blog statt Brief?
Irgendwie habe ich es dann doch geschafft und den Briefmarkenstreifen auf die Karte gepappt, unter dem massiven Druck der bohrende Blicke im Rücken.
Als ich endlich wieder an der frischen Luft war und auf die Uhr schaute, stellte ich erstaunt fest, dass ich fast 36 Minuten für den Briefmarkenkauf gebraucht hatte. Diese schlauen Franzosen!, dachte ich mir und musste amüsiert vor mich hinlächeln. Niemand spart mit dieser dummen Maschine Zeit, nur die Post spart an Mitarbeitern.
Und ehrlicherweise muss ich allerdings zugeben: ich habe doch gespart! Im wahrsten Sinne des Wortes, denn an diesem Nachmittag blieb keine Zeit mehr für weitere Einkäufe.
Außerdem beherrsche ich durch das beeindruckende Erlebnis eine weitere Maschine, wenn auch im fernen Frankreich.

Wenn das kein Lächeln wert ist? :-)

Sehen Sie meine kleine Postkarte oben auf der Waage?


P.s.
Eines ist sicher, um wirklich Zeit zu sparen, werde ich das nächste Mal kein französisches Postamt mehr aufsuchen, sondern meine Karten mit nach Hause nehmen und von dort aus verschicken. Liebevoll beklebt mit einer der wirklich wunderschönen, heimischen Briefmarken!

P.S. Natürlich heißt mein Blog athome24, aber auch echte Heimerle machen schöne Reisen, von denen sie dann athome erzählen und zehren ;-).

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