Donnerstag, 12. September 2013

Ein französisches Schätzchen

Ich habe sooo gesucht!
Tagelang, stundenlang, die letzten Umzugskisten durchgewühlt, alle in Frage kommenden Schränke durchforstet. Weg ist weg. Einfach nicht gefunden. Für mich sehr traurig, wenn auch nicht für jeden nachvollziehbar, denn es geht schlicht und ergreifend um ein vermisstes Buch.

Ich liebe richtige Bücher, die riechen, die knistern, die man als Schreibunterlage benutzen kann. Bei einem echten Buch - gibt es unechte Bücher, frage ich mich? - lassen sich Papierecken in die Seiten knicken, da könnte man - was man natürlich nicht tut - schnell das Ende überfliegen, man kann immer wieder den Einband liebkosen und man kann mit Recht schimpfen, weil bei der Mini-Typografie ohne die verlegte Lesebrille diese Leserei so mühsam ist.
Mein vermisstes Buch ist so ein echter Schatz.
Eigenartiges Format, seltsames Petrolblau als Titelhintergrund, wunderlich gesetzter Titel. Aber der Inhalt! Leute, der Inhalt ist so fantastisch! Jede Seite ein Genuß!

Verdammt! Wo ist mein Kochbuch aus Nizza?

Ich habe es aus den Augen, aber nicht aus dem Herzen verloren.
Die Buchseiten waren schon vergilbt, das Papier roch schon seltsam wie Omakeller. Aber diese Erinnerungen, die an diesem Kochbuch kleben, kann ich kaum beschreiben.

Ich war vielleicht 15 Jahre alt, als mein fürsorglicher Vater meinte, etwas für meine mageren Französischkenntnisse tun zu müssen. Und so landete ich einen Sommer an der Cote d´Azur bei einer alleinerziehenden Mutter mit Tochter und Sohn.
Alles war großartig in Südfrankreich: das Wetter, der Mini-Sprachkurs mit nur drei Schülern, die Wohnung der Gastfamilie und aber vor allem eben Madames Kochkünste. Sie hatte sehr schnell erkannt, dass ich zur Sorte der Schleckermäulchen gehörte - was sich übrigens bis heute nicht geändert hat - und ich auch den aufregendsten Gerichten aufgeschlossen gegenüberstand. Und so kam es, dass wir gemeinsam über den Markt schlenderten und mit Bergen von wunderbaren Früchten und exotischem Gemüse nach Haus kamen. Wir standen stundenlang in dieser für damalige Verhältnisse modernen Küche. Den wunderbaren Meerblick aus der Küche habe ich erst ziemlich spät entdeckt, denn unsere Köpfe hingen ja entweder über Rezepten oder über dem Schneidbrett oder Kochtopf.
Wir kochten echtes - die Betonung liegt auf ECHT - Ratatouille  und probierten (für mich damals) "verwegene" Rezepte, wie überbackene Muscheln, aus. Jeden Tag blubberte etwas neues, wunderbares aus der "wahren provencalischen Küche" in den Töpfen, angereichert mit einem kleinen Exkurs in den Dialekt, der in Südfrankreich gepflegt wird.
Zum tränenreichen Abschied gab es dann von dieser netten Madame, was aus ihr wohl geworden ist?, ein Kochbuch mit dem wunderbaren Titel:

Die Küche der Grafschaft Nizza.
"La cuisine du comté de Nice"

Aufgeschrieben im Jahr 1972 vom Bürgermeister von Nizza, Jacques Medecin, höchst persönlich. Eine Sammlung von traditionellen Rezepten, die sich von der französischen Küche ziemlich unterscheiden. Denn Nizza gehört erst seit 1860 zu Frankreich und war vorher auch kulinarisch eigenständig.

In dem vermissten Kochbuch war besonders das Rezept von den gefüllten und frittierten Zucciniblüten einfach umwerfend.
Und wissen Sie was? Genau dieses Rezept kann ich jetzt wieder nachkochen.  :-)
Nein, ich habe keine Ersatzausgabe des Kochbuchs für ein gefühltes kleines Vermögen im Antiquariat gekauft. Ich habe einfach nochmal gesucht. In aller Ruhe. Und da stand es dann plötzlich, das Buch, sogar in der Kochbuchreihe, wo es ja hingehört. Ganz verloren hinter einem dicken blöden Backbuch.

Meine Güte war ich glücklich, als ich mein franzöisisches Schätzchen wieder hatte!
Sie werden noch ein paar Rezepte zu lesen bekommen, nur das Rezept mit den Zuccinblüten muss jahreszeitenbedingt warten bis nächstes Jahr.


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